Von Seelöwen und Pelikanen

Wir sind jetzt schon ein paar Tage in Kalifornien und es passiert so viel, dass einfach keine Zeit zum Schreiben bleibt. Also bis jetzt. Wir sind bei Zach, Lindsey und deren Kindern Marcus und Cameron in Santa Barbara untergekommen. Jule kennt Lindsey aus ihrem Austauschjahr in den USA. Hier wurden wir mit offenen Armen empfangen. Die beiden sind so zuvorkommend, dass es fast schon unangenehm ist. Merkt man uns glaub ich auch an, daher versichern die beiden uns jedesmal wenn wir sagen, dass wir ihnen nicht zur Last fallen möchten, dass dies nicht der Fall ist. Damit haben wir nicht gerechnet. Total coole Familie. Echt liebenswerte Menschen. Nachdem wir gestern Abend in unserem Van angekommen sind wurden wir mit Burgern und Getränken begrüßt, haben noch bis in die Nacht gesessen und Gespräche über Trump und die Welt geführt. Aber vielleicht sollte ich erstmal schildern, was seit unserer Pause im Wartebereich des JFK geschah.

Gebucht hatten wir den günstigsten Flug den wir finden konnten. Die Airline heißt Jet Blue, von der haben wir beide noch nichts gehört, kann ja unmöglich schlechter sein als Easyjet, war es dann auch nicht. Ganz im Gegenteil. Es gab auf unserem 6-Stunden-Flug zwar keine vollwertige Mahlzeit, aber es gab Getränke, ein tolles Entertainmentsystem mit aktuellen Filmen, freundliches Personal und eine Menge Beinfreiheit in einem modernen Airbus. Das war mal eine schöne Überraschung. Der Flug verging wie im Flug (nicht sonderlich witzig, aber verkneifen war nicht drin). Und ein paar Stunden später konnten wir dann aus unserem Fenster auch schon die berühmte San Francisco Bay Area sehen. Wahnsinn.

Nach der Landung konnten wir dann auch sofort unser Gepäck einsammeln (wir sind jedesmal dankbar wenn es tatsächlich ankommt) und im nächsten Moment saßen wir dann auch schon im Uber Richtung Hotel, welches mitten im Fishermens Wharf, dem touristischen Epizentrum der Stadt liegt. Richtig stark. San Francisco. Die Welthauptstadt der Hippies und der freien Liebe. Wir waren bereit die Energie der Stadt aufzusaugen und in Reiselust umzuwandeln. Kam dann aber anders. Leider. Unsere Bleibe für die nächsten Tage war am anderen Ende der Stadt und durch selbige mussten wir jetzt auch durch. Da war es wieder, das Elend. Überall Obdachlose und/oder vom Staat allein gelassene Menschen ohne Perspektive diesem Sumpf wieder entfliehen zu können. Unser Uberpilot warnt uns auch direkt vor Taschendieben und Autoknackern. Und da geht er hin, der Zauber, den amerikanische Städte auf mich ausübten. Ein bisschen Zauber kam dann aber zurück, als der Hotelportier uns in landesüblicher Überfreundlichkeit eincheckte und den Schlüssel für unser kuschliges Hotelzimmer übergab. Das Hotel war ein Kracher. Das alte Gebäude mit seinen schmalen Gängen und seiner liebevollen Dekoration hatte Charm. Eingecheckt und frischgemacht sind wir dann auf die lange Reise zum Pazifik aufgebrochen. Drei Minuten später habe ich dann das erste mal am Pazifik gestanden. Genau genommen nicht direkt am offenen Meer, da wir uns ja nach wie vor in einer Bucht befanden, aber wir sind ja nicht kleinlich. Jule war hier schonmal. Daher wusste sie auch was für komische Vögel hier, neben den allgegenwärtigen Möwen, die permanent in Lauerstellung standen um unaufmerksamen Touristen das Essen vom Teller zu mopsen, die Lüfte beherrschen – Pelikane. Die gibts Zuhause nur im Schreibwarenladen. Danach sind wir, wie ich dachte Ziellos, von Pier zu Pier gewandelt. Aber Jule hatte einen Plan. Am Pier 39 dann die große Überraschung. Seelöwen. Wahnsinn. Die nächsten Tiere, die ich noch nie live gesehen habe. Die lagen da einfach so auf den Stegen und Pontons rum. Dann und wann hinderten sie Touristen daran, nach ihrer Hafenrundfahrt wieder vom Steg zu kommen, aber im Großen und Ganzen schienen sie ihr sorgloses Leben unter der Sonne Kaliforniens zu genießen und machten insgesamt einen zufriedenen Eindruck. Ein bisschen neidisch war ich schon. Da wir durch den Flug durch diverse Zeitzonen schon wieder 4 Stunden geliehen bekommen haben (die wir selbstverständlich am Ende wieder “zurückgeben“ müssen, aber das ist ein Problem von unseren Zukunftsichs), war ich relativ platt. Nach ein wenig Schlendern und Shoppen haben wir den Tag dann zum Sonnenuntergang für beendet erklärt und sind bei mittlerweile auffrischenden Wind und geradezu frostigen Temperaturen zurück in unser gemütliches Hotelzimmer aufgebrochen.

Der nächste Tag war unserer einziger voller Tag in San Francisco und wir wollten das machen, was man halt so macht als Tourist auf Durchreise in dieser Stadt. Wir wollten über die Golden Gate Bridge wandern. Klingt superromantisch. Wie so oft hat unser Google dann aber desillusioniert, allein der Weg hin zur Brücke betrug 7,5 km. Dann rüber und zurück? Auf keinen Fall. Nicht zu Fuß zumindest. Wir haben unsere verschiedenen Optionen gegeneinander abgewogen. Zur Auswahl stand der Hop on Hop off Bus… ich mache nur Spaß. Diese Variante haben wir beide übereinstimmend kategorisch abgelehnt ohne je darüber gesprochen zu haben. Mit dem Uber hin und zu Fuß rüber war in der engeren Auswahl, aber dann haben wir etwas entdeckt, dass mehr Spaß versproch. Ein Tandem. Cool. Gesagt getan. Wir sind dann also mit dem Tandem für 15 $ die Stunde aufgebrochen Richtung Brücke. Es war die Richtige Entscheidung. Denn selbst der Weg zur Brücke bot so viele tolle Ausssichten und Möglichkeiten Fotos zu machen, dass wir es doch sicher bereut hätten das alle nur entfernt durch die Scheibe eines klimatisierten Autos zu sehen. Nach dem dritten oder vierten Start waren wir dann auch recht eingespielt und unsere anfangs wackligen Anfahrversuche sahen jetzt sicher schwer professionell aus. Vielleicht auch nicht, aber sie fühlten sich zumindest so an.

Nach dem letzten fiesen Anstieg zur Brücke (ein Tandem ist nicht zwingend geeignet um Bergwertungen zu gewinnen), waren wir dann endlich am Ziel. Wir sind über die Brücke gefahren. War zwar ziemlich eng, da Fußgänger und Fahrradfahrer aus beiden Richtungen einen schmalen Streifen der Brücke teilen mussten, aber mit ein wenig fahrerischen Geschicks und mittlerweile stärker ausgeprägten Ausgleichbewegungen sind wir heil und unbeschadet an der anderen Seite angekommen. Hier gabs dann ne tolle Aussicht. Nicht mehr und nicht weniger. Hat sich aber total gelohnt. Es heißt ja immer der Weg ist das Ziel. Ist oft nur eine Ausrede für nicht schnell genug ankommen, heute war es aber wirklich so.

Abgesehen von unseren mittlerweile schmerzenden Hintern hatten wir echt Spaß. Nachdem wir nach drei Stunden wieder bei der Verleihstation angekommen waren und auf die obligatorische Frage, ob alles in Ordnung war, geantwortet haben, dass wir keine Klingel hatten, der hintere Sattel lose war und die Bremsen nicht sonderlich gut funktionierten, wurden uns nur zwei Stunden berechnet. War total fair und für uns auf einmal ein Schnäppchen. Das gesparte Geld haben wir dann in ein übertriebenes und ein normales Eis bei Ben und Jerrys investiert. Jule hat mich zwar gewarnt, aber ich wollte mit eigenen Augen sehen wie man einen halben Liter Eiscreme in eine Waffel bekommt. Ist verblüffend einfach, wenn man riesige Waffeln nimmt. Nach zwei Stunden Spaziergang am Wasser gings mir dann wieder besser. Wir haben den Tag dann sehr entspannt ausklingen lassen und sind früh schlafen gegangen. Schließlich war am nächsten Tag der Tag an dem wir unseren Van abholen sollten. Aus San Jose. Auch wenn die Städte direkt aneinander zu grenzen scheinen, hatten wir doch eine Strecke von 100 km zu meistern. Wie? Wussten wir noch nicht. Probleme unserer Zukunftsichs, wir wollten heute nichts mehr planen und den Tag, der sich wirklich anfühlte wie ein entspannter Urlaubstag genießen.

Da diese Beiträge nicht jedesmal den Umfang einer Tageszeitung haben sollen, gibts die Fortsetzung beim nächsten mal (Anmerkung von Jule).

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