Von Biberratten und Eisschornsteinen

Herrlich! Ausschlafen. Kein Hauch von Stress. Wir zwei arrangieren uns wunderbar mit unserer derzeitigen Lebenssituation und gehen die Dinge ruhig an. Fast schon zu ruhig, denn als wir heute Morgen die Unterkunft verließen, um irgendwo ein paar Eggs Benedict abzugreifen, waren die Cafés in der Gegend in Begriff von Frühstück auf Mittag umzustellen. Lag nicht zuletzt daran, dass wir vorher noch bei der Post waren, um die ersten Karten und einen Brief zu verschicken. Das war witzig! Die nette Dame hinter dem Schalterfenster konnte weder deutsch noch englisch und wir kein tschechisch. Mit Händen, Füßen, Urlauten und Googletranslatorapp haben wir dann eine nicht sonderlich effiziente, aber sicher für alle Beteiligten und zufällig Anwesenden unterhaltsame, Art der Kommunikation etablieren können, die uns allen den Tag verschönt hat und unsere Briefe der Beförderungskette zuführte. Für uns war es der erste Erfolg des Tages. Nun aber zurück zur Mission Frühstück. 

Mit viel Glück ergatterten wir um kurz vor 11 noch ein sonniges Plätzchen vor einem gemütlichen Café mit Frühstückskarte in nächster Nähe der Post. Wie gewohnt kam das Essen prompt, war superlecker, am Berliner Frühstücksmarkt gemessen vergleichsweise günstig und der Service fast schon übereifrig. 

Gestärkt ging es dann in die Stadt. Genauer gesagt die Altstadt. Diesmal zu Fuß. Ist ja nicht so weit. War es doch. Nach ca. zwei Stunden (kein Gewaltmarsch, sondern spazieren mit viel stehenbleiben, fotografieren und bestaunen) hat Jule ein Weiterlaufveto eingelegt. Das haben wir dann auch umgesetzt und sind für 14 € pro Person von Fußgängern zu Flussfahrtteilnehmern aufgestiegen. Die Fahrt dauerte eine Stunde, davon standen wir 20 Minuten in Schleusen. Hat sich nicht wirklich gelohnt. Viel gabs nicht zu sehen. Aber wenigstens waren die Füße anschließend wieder fit. Wir sind wieder da ausgestiegen, wo wir eine Stunde zuvor eingestiegen sind und haben unseren Weg in die Altstadt fortgesetzt. Eine artenübergreifende Gang aus Enten und Möwen, die eine im Wasser liegende Baumkette (eine Art natürlich-künstliche Abtrennung zweier Wasserbereiche) belagerte, weckte unsere Aufmerksamkeit. Bei genauerer Betrachtung entdeckten wir, dass eine Etage tiefer (im Wasser) ein ebenso gewaltiger Schwarm dicker Fische (wir vermuten Karpfen. Alle Angaben ohne Gewähr) eine Pause einlegte. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, kam dann noch ein behaartes Tier, das wir zunächst fälschlicherweise für einen Biber hielten, in die Szene geschwommen. Tiere beobachten mitten in der Stadt. Das war spannend. Der vermeintliche Biber stellte sich nach eingehender Recherche als Biberratte heraus. Wohl eine invasive Art die eingedämmt werden soll und daher zum Abschuss freigegeben ist. Wie auch immer. Das kleine behaarte Kerlchen mit seinen großen Zähnen war für uns ein kleines Highlight und wir drücken ihm die Daumen, dass er irgendwann im Kreise seiner Biberrattenfamilie nach einem langen erfüllten Biberrattenleben an Altersschwäche friedlich dahinscheidet.

Nach diesem Spektakel stürzten wir uns in die dichten Menschenmassen der Altstadt. Menschen so weit das Auge reicht, aber das sollte uns nicht abhalten unseren Schlendergang aufzunehmen und uns alles anzugucken. Große touristische Attraktionen haben wir uns geklemmt, die Schlangen davor waren so lang wie die Haare von Rapunzel. Wir sind dann einfach relativ unstrukturiert herumgelaufen und haben die Stadt genossen. Irgendwann beschloss Jule, dass es zwingend erforderlich wäre, um das Erlebnis abzurunden, einen der berühmten Chimney-Kuchen zu essen. Es war kein Problem ein Kuchenfachgeschäft zu finden, das diese Art von Köstlichkeiten verkauft. Nun hatte Jule die Qual der Wahl. Zwischen gefühlt 20 Basisvarianten mit 30 verschiedenen Extras galt es eine Entscheidung zu treffen. Da darf man sich dann auch nicht lumpen lassen, man ist ja schließlich nicht aller Tage in Prag. Mit Pistaziencreme, Erdbeeren und Vanilleeiscreme bestückt landete der Gebäckschornstein nach erfolgter Geldübergabe in der Hand meiner jetzt sehr glücklichen Frau. Das Glück hielt nicht lange an. Der Freude beim Verzehr der Spezialität folgten leichte Bauchschmerzen. 

Aber leichtes Magengrummeln sollte uns nicht davon abhalten, unser letztes offizielles Ziel anzusteuern, den Aussichtspunkt Petrinska rozhledna – ein Bauwerk, das aussieht wie ein kleiner Eiffelturm und hoch über der Stadt steht. Dank unseres sehr freundlichen Uberfahrers Jan war die Anfahrt dahin sehr komfortabel und nach einem anschließenden Spaziergang von einem Kilometer durch einen Park und gefühlten 300 Stufen einer schmalen Wendeltreppe später standen wir hoch über der Stadt und genossen die Aussicht. Runter ging es dann steil bergab mit der Petrin-Bahn.

Viel passiert ist danach nicht mehr. Aber lecker essen gabs noch und leider wurde das einer von Jules Füllungen zum Verhängnis. Unser superfreundlicher Airbnb-Host hat sich aber bereiterklärt, sich um einen Zahnarzt in der Nähe zu kümmern. Soviel zum Tag. Eigentlich sollte der Text schon gestern online gehen, aber es gab da eine superwichtige Sendung, die meine Frau unbedingt verfolgen wollte und daher war mein Tablet besetzt. Halb so wild, wir sind ja auf Reisen und nicht auf der Flucht. Das Wetter soll heute mies werden, aber wir machen sicher das beste draus.

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