Viva Las Vegas!

Zunächst wie üblich der Live-Standort. Wir befinden uns nun fast am Ende unserer dreiwöchigen Hawaii Rundreise und genießen unseren letzten Abend in Honolulu. Jule bucht gerade die nächste Reise, die dann leider ohne mich stattfinden wird. Und ich sitze neben ihr und gucke abwechselnd aus unserm Hotelzimmerfenster auf den Pazifik und auf mein Tablet. Unsere Wäsche dreht gerade noch eine Runde im Trockner und wir stellen uns gedanklich schonmal darauf ein in ca. einer Stunde zum Strand aufzubrechen und den letzten hawaiianischen Sonnenuntergang für lange Zeit zu sehen. Unglaublich doof, denn hier hat es uns wirklich gut gefallen. Und nach drei Wochen Aloha und Hangloose fühlen wir uns sehr wohl und heimisch. Wir würden gerne hier bleiben, aber daraus wird wohl leider nichts. Lange rede, wenig Sinn. Ich nutze die Zeit bis wir das letzte mal zum nahegelegenen Strand wandern, um zu beobachten wie das Zentrum unseres Sonnensystems in einem Bad von roten Wölkchen im Meer zu versinken scheint und schreibe ein paar Zeilen aus der Vergangenheit nieder.

Nach gut zwei Wochen in Staub und Wüste war es wiedermal so weit – wir sind auf dem Weg in eine Stadt. Eine besondere Stadt. Der aufmerksame Leser, Vorleser oder Zuhörer ahnt wahrscheinlich bereits wo uns unsere Reise hinführte – Las Vegas. Die Stadt, die auch Sin City genannt wird, was übersetzt Stadt der Sünde oder Sündenstadt heißt. Treffender wäre allerdings neonbeleuchtete Betonwüste mitten in einer echten Wüste, in der Drogenkonsum und Glücksspiel in Tempeln der Sünde, auch Hotels mit angeschlossenem Casino genannt, nicht nur geduldet, sondern sogar erwünscht sind. Das klang sehr sehenswert, aber um die Lage richtig beurteilen zu können, mussten wir erstmal ankommen. Unsere Fahrt führte uns durch die Wüste. Die kannten wir schon, wir haben ja schließlich ganz in der Nähe schonmal genächtigt. Daher wussten wir auch, dass man besser die Fenster oben und die Klimaanlage des Fahrzeugs angeschaltet lässt, wenn man sich nicht wie in einem Umluftbackofen fühlen möchte, der mit 65 mph durch die Landschaft düst. Bis auf ein paar Felder mit Solaranlagen, deren Fläche vergleichbar ist mit Maisfeldern in Mecklenburg Vorpommern, gab es allerdings wenig zu sehen. Irgendwann ging es dann los. Allerhand überdimensionale Reklametafeln für Unfallrechtsanwälte mit tollen Slogans nach dem Motto: “Nur weil du es getan hast, heißt es nicht, dass du schuldig bist“ sind ein klares Zeichen dafür, dass wir uns wieder der, naja sagen wir mal mit aller Vorsicht “Zivilisation”, nähern. Der Highway wurde auch immer größer und ehe wir uns versahen befanden wir uns mit unserem Van auf einer der acht Spuren und versuchten zu antizipieren, welche Spur wohl wann die richtige sei, um etwaige Abfahrten zu treffen. Während dieses Wildwestverkehrsabenteuers versuchten wir permanent, keinem der anderen Asphaltgladiatoren einen Grund zu geben, eine der Nummern von den eingangs beschriebenen Reklametafeln zu wählen. Auf den letzten 300 m vor unserem Hotelparkplatz nahm die Verkehrsintensität dann plötzlich ab. War letztlich also doch eine gute Idee ein Hotel zu buchen, das sich in dritter Reihe zum Las Vegas Strip befand. Dort angekommen konnten wir unkompliziert einchecken und nach einer Mikro-Meinungsverschiedenheit, wo denn das Auto am besten zum Entladen positioniert werden sollte, haben wir dann endlich die Tür zu unserem Reich für die nächsten zwei Tage öffnen können. Und es war wirklich ein Reich. 60 Quadratmeter! Total übertrieben, und nach 2 Wochen in unserem 6 Quadratmeter Van kam es uns vor, als würden wir in einem Fußballstadion übernachten. Und ein riesiges Bett. Ich weiß gar nicht, ob ich vorher schonmal erwähnt habe, dass das “Bett“ im Auto so kurz ist, dass selbst wir uns nicht komplett strecken konnten? Ganz abgesehen davon, dass meine schlafende Ehefrau ausgewachsene Expansionsstrategien gnadenlos umsetzt, war es alles andere als groß. Und nun hatten wir ein Kingsize Bett. Total stark. Ich hab dann erstmal Anlauf genommen und bin im hohen Bogen in Bauchklatschermanier auf der Matratze eingerastet. Mehrfach. War spaßig. Gibt es auch künstlerisch wertvolle Zeitlupenaufnahmen von. Weiter Im Text. Zwei Tage sind nicht lang und es gab viel zu sehen, also sind wir direkt aufgebrochen. Zum Pool. Stadt war noch viel zu heiß. Bewaffnet mit Handtüchern und Büchern haben wir uns dann zum Garen auf zwei Liegen im Schatten einer Palme an den Pool gelegt. Was für ein Moment. Das hat sich so richtig wie Urlaub angefühlt. All unsere Sachen waren sicher verstaut und wir hatten für die nächsten Paar Stunden nichts zu tun, außer uns auszuruhen und uns unseres Daseins zu erfreuen.

Zeitsprung. Kurz nachdem ich die vorangegangenen Zeilen verfasst habe, sind wir zum Sonnenuntergang aufgebrochen. Ich habe die Tastatur dann noch mal ein paar Tage ruhen lassen müssen (wobei müssen relativ ist) und wir sind nun nicht mal mehr auf Hawaii, sondern bei Kate und Craig in Minneapolis. Und weil hier soviel los ist, komme ich jetzt erst dazu weiterzuschreiben. Ich steige also ohne große Umschweife wieder ins Geschehen ein.

Nachdem wir uns am Pool ein wenig ausgeruht haben, sind wir pünktlich zur Abenddämmerung auf den Neonbeleuchteten Strip aufgebrochen. Die Sonne war zwar weg, sodass von oben keine Hitze mehr kam, der Asphalt hingegen war noch bollewarm und daher blieb es einfach heiß. Das ist hier aber sowas von überhaupt gar kein Problem, da man in jedem Casino, das man betritt das Gefühl bekommt durch die Tiefkühlabteilung eines Supermarktes zu laufen. Das ist auf Dauer zwar auch nicht sonderlich angenehm, aber wenn man, wie wir, von einem Casino zum nächsten läuft und somit ständig von drinnen nach draußen und andersherum wechselt, kann man die eigene Körpertemperatur gut regulieren. Echsen machen es ja auch nicht anders. Wir beiden Echsenmenschen sind also schnurstraks ins erstbeste Casino gestolpert und wie der Zufall es wollte, war das kein Geringeres als das des Ceasars Palace. Totaler Wahnsinn! Ein Ozean an Spielautomaten, die mit ihren wild leuchtenden Lichtern und dem fröhlich klingelnden Lautsprechern tausende von Menschen in ihren Bann zogen und dort hielten. Der Raum, in dem wir standen, war riesig. Und es ging noch weiter. Nachdem wir uns durch die schier endlos aneinandergereihten blinkendenden Säulen gewunden haben, standen wir auf einmal in einer riesigen Mall. Fenster und Uhren? Fehlanzeige. Hier gab es nichts was einen daran erinnerte, dass draußen, ausserhalb dieses Labyrinths, die echte Welt wartete. Aber wir waren uns einig, dass wir uns heute Nacht in diese künstliche Welt entführen lassen wollten und Uhren brauchten wir dafür sicher nicht. Und in dieser Welt hatten wir erstmal Hunger. Jule hatte auch direkt eine tolle Idee, wo wir essen gehen können – in der Cheesecakefactory. Da gab es auch andere Sachen als Käsekuchen, die aber, wie wir bald herausfinden sollten, nicht zwingend weniger Kalorien haben. Dort angekommen wurden wir freundlich zu unseren Plätzen begleitet und sofort mit Speisekarten ausgestattet. Ich hatte Spaghetti mit Hackfleischbällchen und Jule eine Portion Nudeln mit Hähnchenkäsepizza. Jules Essen klang schon etwas fragwürdig. War es auch. In Wirklichkeit war die “Pizza“ ein rundes Hühnchenschnitzel mit 30 cm Durchmesser, welches durch und durch mit einer dicken Schicht Käse bedeckt war und darauf lag nochmal eine ausgewachsene Portion Nudeln. Total pervers und unfassbar sehenswert. Ich habe Tränen gelacht, als Jule ihre bestellte Kalorienbombe serviert bekam und ungläubig drein guckte. Aufgegessen hat sie nicht, wir haben die liegengebliebenen drei Kilogramm einpacken lassen und mitgenommen (und zu unserem Bedauern zwei Stunden später dann doch entsorgt, weil uns Zweifel plagten, ob man essen, dass die ganze Nacht bei bakterienfreundlichen 30°C in einer Plastiktüte durch die Gegend getragen wird, am nächsten Morgen noch genießbar ist #RIPKalorienbombe). Und schon waren wir wieder unterwegs. Viel langsamer als vorher. Die deftige Mahlzeit lag schwer. Wir bahnten uns unseren Weg immer weiter im Fluß der Menschenmenge, von Casino zu Casino im farbenfrohen Schein der Neonlichter. Überall gibt es was zu sehen. Jeder Erlebnispalast hat ein eigenes Thema und seine individuelle Architektur. Superkünstlich. Aber das ist nicht schlimm. Man ist hier in einem riesigen Vergnügungspark, in dem die Attraktionen den Besucher vielleicht reich, aber mit großer Wahrscheinlichkeit ärmer machen. Zwischendurch sehen wir immer wieder Verrückte verschiedenster Kategorien. Von den mutmaßlich harmlosen, die einfach wirres Zeug reden oder rumschreien, bis zu Typen, die ein Messer an eine Schnur binden und dieses auf offener Straße zwischen einem Haufen anderer Menschen ohne künstlerische Intention wild durch die Gegend wirbeln, haben wir alles gesehen. Irgendwann wurde ich superdurstig. Fast kein Problem. Wasser gab es an jeder Ecke und für 6 $ konnte man eine kleine Flasche erwerben. Mittlerweile war es schon spät und wir hatten bereits einige der Hotelcasinokomplexe besichtigt und beschlossen den Rückweg zu unserem Hotel anzutreten und dort noch ein wenig die Automaten zu füttern. Uns war zwar bewusst, dass wir das Geld auch ebensogut hätten verbrennen können, aber irgendwie gehört das hier dazu. Wir verspielten jeweils 10 $ und sind irgendwann in der Nacht mit schmerzenden Füßen wieder in unserem Zimmer angekommen.

Der nächste Tag lief ganz ähnlich ab. Morgens sind wir zum berühmten Las Vegas Schild gefahren, welches sich am Anfang des Strips befindet, um ein Foto zu machen. Morgens, so dachten wir, sind da bestimmt noch nicht so viele Menschen. Was soll ich sagen? Wir waren nicht die einzigen mit der Idee. Nach 45 Minuten warten in der Schlange, haben wir dann endlich unser Foto bekommen und konnten weiter.

Gegen mittag haben wir uns was zu essen besorgt, sind danach an den Pool gegangen und als die Sonne der Stadt den Rücken zukehrte, sind wir wieder aufgebrochen. Es gab noch ein paar “Attraktionen“, die wir noch nicht gesehen hatten und die wollten wir nun besichtigen. Auf dem Plan standen Hotels wie das New York New York, das MGM Grand, das Luxor, das Exkalibur und alles, was bis dahin unseren Weg kreuzen sollte. Im Grunde war die Nacht wie die erste: viele Menschen, darunter einige Verrückte, ein Snack hier und da und viel zu sehen und viel mehr zu laufen. Nach einem gefühlten Halbmarathon, haben wir unsere Tour dann vor dem Bellagio beendet, um dort die berühmten Wasserspiele zu bestaunen. Eigentlich wollte ich mich dann anschließend noch an einen Pokertisch in unserem Hotel setzen, aber ich war einfach zu platt. Wahrscheinlich hat uns dieser Umstand etwas Reisebudget gespart. Geschlafen haben wir wie Steine und sind dann am nächsten Tag ausgeschlafen der Stadt der Sünde wieder Richtung Natur entflohen.

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